Amnesty Frankfurt hat am Abend des 10. Dezember zusammen mit etwa 500 Gästen den 70. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gefeiert, des vielleicht fundamentalsten Dokuments, auf das sich die Weltgemeinschaft bisher einigen konnte.
Im restlos ausverkauften Saal des Schauspiel Frankfurt wurden die Gäste von Moderatorin Bärbel Schäfer durch ein abwechslungsreiches Programm geführt. Nach der Begrüßung durch den Intendanten des Schauspiels, Anselm Weber, der auf die Bedeutung der Menschenrechte für die Theater- und Weltliteratur hingewiesen hat, grüßte der stellvertretende hessische Ministerpräsident Tarek Al-Wazir per Videobotschaft und betonte, dass der Einsatz für die Menschenrechte heute wichtiger sei denn je. Auch der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus N. Beeko, machte in einem Interview mit Schülerinnen deutlich, dass das 70. Jubiläum allemal Grund zum Feiern ist. Kritische Stimmen wie Amnesty International müssten sich aber weiterhin für eine offene Gesellschaft stark machen.
Peter Fischer, der Präsident von Eintracht Frankfurt sagte, es bereite ihm große Sorge, dass menschenrechtsverletzende und ausgrenzende Aussagen aktuell wieder enttabuisiert werden. Auch im Sport seien solche Entwicklungen zu beobachten. Dies gelte beispielsweise, wenn ein Sportler mit internationalen Wurzeln nur solange akzeptiert werde, wie er sehr gute Leistungen erbringe. Dabei sei es gerade der Sport, der unterschiedliche Menschen zusammenbringen könne und Menschen gemeinsame Ziele und Ideale vermittele. Eintracht Frankfurt vereine beispielsweise über 100 Nationen und Sprachen. Auch Shary Reeves, ehemalige Profifußballerin und Moderatorin, berichtete, wie sehr sie das verbindende Element des Sports schätze. Außerdem berichtete sie von vielen beruflichen Reisen, auf denen sie viel sehen und erleben durfte, wobei die prägendste Erkenntnis war: „Niemand, wirklich niemand, verlässt freiwillig seine Heimat.“
Regula Venske, Präsidentin des PEN-Zentrums Deutschland, unterhielt sich mit der Journalistin Meşale Tolu, die selbst acht Monate mit ihrem dreijährigen Sohn ohne stichhaltige Anklage in einem türkischen Gefängnis erleiden musste, darüber, was passiert, wenn die (Meinungs-)Freiheit endet. Meşale Tolu sprach über das beklemmende Gefühl als Frau, Mutter und Journalistin ihrer Grundrechte beraubt zu sein. Gleichzeitig berichtete sie hoffnungsvoll, dass die große internationale Solidaritätswelle es geschafft habe, die dicken Gefängnismauern sprichwörtlich niederzureißen und ihr Mut zu machen. Sie sei bestürzt darüber, dass noch immer viele Kolleg*innen in Haft verbleiben müssen und stellte fest, dass es bisher noch keine tatsächliche Antwort der EU auf das Erdogan-Regime gebe. Die Bundesregierung müsse eine menschenorientierte Politik betreiben, bei der wirtschaftliche Interessen nicht im Vordergrund stehen dürfen. Auf die Frage, was ihr Hoffnung mache, antwortete sie: „Ich habe erlebt, dass die Menschheit Kraft für Widerstand hat, denn die Vielfalt macht unsere Stärke aus, nicht die Einfalt! Und die Meinungsfreiheit verteidigt man am besten, indem man von ihr Gebrauch macht.“
Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, hielt ein flammendes Plädoyer für Frauenrechte. Sie betonte, dass Gerechtigkeit immer Gerechtigkeit für alle Geschlechter heißen müsse: „ein Gedanke, der selbstverständlich klingt, aber es leider noch immer nicht ist.“ Schreibe man Frauen nicht den gleichen Wert wie Männern zu könne man sie leichter in bestimmte Rollen drängen und über sie bestimmen. Sie betonte, dass an der Umsetzung der Frauenrechte die zivilisatorische Weiterentwicklung der Gesellschaft hänge. Dafür sei es nötig, dass Frauen laut ihre Rechte einforderten. Diesen Gedanken griff auch die Schauspielerin und Grimme-Preisträgerin Michelle Barthel auf, die auch den Menschenrechtsfilmpreis von Amnesty Deutschland trägt : „Die Frauenrechtsbewegung ist nicht gegen jemanden, sondern für alle; sie will niemandem etwas wegnehmen, sondern allen die gleichen Rechte geben; sie will das Potenzial der Vielfalt ausschöpfen.“
Neben musikalischen Beiträgen von der lateinamerikanischen Band „Brasil Connection“ und drei Musikern des Kollektivs „Bridges – Musik verbindet“ hat das Junge Schauspiel drei Szenen aus ihrem aktuellen Stück „Jetzt aber anders“ aufgeführt. Außerdem haben zwei Schüler der Frankfurt Bettinaschule mit ihrem selbstgeschriebenen Rap „Jeder ist Mensch“ das Publikum begeistert. Dass Feminismus keine Frage des Alters ist, zeigten „Rising Voices“, drei 10-jährige Mädchen, die in ihrem Lied Gleichberechtigung forderten.
Die Bezirkssprecherin von Amnesty Frankfurt, Monika Wittkowsky, sagt am Ende des Abends: „Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Mitwirkenden für die spannenden Reden, die wunderbaren musikalischen und künstlerischen Darbietungen, insbesondere bei Bärbel Schäfer, die durch den Abend geführt hat sowie beim Schauspiel Frankfurt, das wir die Soirée dort feiern durften.“